08. Mai 2025
WDR-Radiosendung zum Ende des 2. Weltkriegs mit Schülern der Anne-Frank-Gesamtschule
Havixbeck. Köln. „Seit Mitternacht schweigen an allen Fronten die Waffen.“ Die Erinnerung an den Tag der Befreiung beginnt mit einem historischen Radioton. Schülerinnen und Schüler der Anne-Frank-Gesamtschule sitzen in der Bibliothek Havixbeck zusammen, hören zu und lassen ihren Gedanken zum 8.Mai 1945 freien Lauf. „Man weiß, was passiert ist, aber es ist sehr weit weg“, meint die 16-jährige Greta. Auch Linus (17) kann sich „nicht wirklich vorstellen, was es bedeutet, wenn ein Krieg zu Ende geht.“
Esther Mikus und Marianne Blasberg wissen sehr genau, wie sich das Kriegsende anfühlte. Die beiden waren damals 16 und 11 Jahre alt und gehören damit zu den letzten noch lebenden Zeitzeuginnen, die von der Zeit des Nationalsozialismus erzählen können. Um ihre Geschichten für immer erlebbar zu machen, hat der WDR gemeinsam mit Schülerinnen und Schülern der Gesamtschule in Havixbeck sowie einer weiteren Schule in Köln eine App entwickelt, die mit Hilfe von Augmented Reality Zeitzeuginnen ins Klassenzimmer holt. Als wären diese Menschen wirklich anwesend, sitzen sie zwischen den Jugendlichen und erzählen ihre persönlichen Geschichten. So, wie es die beiden alten Damen hier tatsächlich in der von Ralph Erdenberger moderierten Radiosendung tun, während sie sich den Fragen der jungen Menschen stellen.
„Wenn Sie die Bilder vom Gaza-Streifen sehen, können Sie sich vorstellen, wie es in Münster aussah“, erinnert sich Mikus, die mehr als 40 Bombenangriffe erlebt hatte, bevor sie sich mit der Kinderlandverschickung an den Chiemsee nach Bayern rettete. Die Nachkriegszeit sei für sie noch viel schlimmer als die Kriegszeit gewesen. Marianne Blasberg erinnert sich an Hunger bis zur Ohnmacht und an Obdachlosigkeit nach ihrer Rückkehr von Thüringen in die Heimat Düsseldorf. „Damals hat sich kein Mensch um uns gekümmert.“ Mit 17 Jahren war sie Mutter von Zwillingen und hat sich hochgekämpft: „Der Mensch kann viel, wenn er muss.“
Liebe, Familie, Freundschaft seien früher wie heute essentielle Themen. Die schwere Zeit schweißte zusammen. 20 Jahre nach Kriegsende traf sich Mikus, die bei den Westfälischen Nachrichten in die Lehre ging und sich in den 1950-er Jahren als Werbetexterin selbstständig machte, mit allen ehemals verschickten Kindern wieder, zu den noch Lebenden hat sie bis heute Kontakt.
Marianne Blasberg entdeckte in der Nachkriegszeit das Tischtennisspiel in Hinterzimmern von Gaststätten und brachte es später bis zur Weltmeisterschaft. Noch heute tritt die 91-Jährige in internationalen Wettbewerben an.
„Warum ist es wichtig, über die Geschichte zu reden?“, fragt Erdenberger die Jugendlichen am Schluss der Sendung. „Weil wir aus Fehlern lernen können“, meint Linus und fügt mit Blick auf die vom Verfassungsschutz als gesichert rechtsextreme ausgewiesene AFD hinzu: „Nie wieder ist jetzt.“ Evi (16) bedankte sich bei den Zeitzeuginnen unter herzlichem Applaus der Studiogäste: „Sie sind für mich ein ganz großes Vorbild.“
Die einstündige Radiosendung „Zeitzeugen 1945“ ist ab dem 8.5.25 bei WDR5 zu hören, live oder als Podcast.